Sonntag, 3. Juli 2011

Promi-Patient: Heinrich VIII. - von Malaria bis Impotenz

„Seine Majestät ist der attraktivste Potentat, den meine Augen je erblickt haben… er ist umsichtig und frei von jeglichen Laster.“  So wurde 1515 über den damals 24 Jahre alten König von England geschwärmt. Zwei Jahrzehnte später hingegen, 1539, äußerte ein französischer Gesandter: „Ich habe es hier mit dem gefährlichsten und grausamsten Mann der Welt zu tun.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte der mit 190 cm hünenhafte Heinrich VIII. bereits drei Ehen hinter sich und an Breite deutlich zugelegt: 145cm Brustumfang, 137cm Bauchumfang. Was war mit ihm geschehen?

Pocken, Malaria und Fressgelage
War Heinrich nicht gerade im Königreich unterwegs oder mit kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigt, bestand sein Leben aus Ess- und Trinkgelagen, Jagen, Tennis,  Turnierkämpfen und ausgiebigen Austritten zu Pferde. Er war äußerst robust und hatte 1514 eine Pockeninfektion überstanden. Ab 1521 kam es immer wieder zu Malaria-Attacken, die er ebenfalls gut wegsteckte. Außer häufiger Kopfschmerzen, die vermutlich auf eine chronische Sinusitis zurückzuführen war, hatte er keine weiteren gesundheitlichen Probleme.

Angeschlagene Psyche
Um 1528 änderte sich Heinrichs Gesundheitszustand: er litt unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen, war ruhelos, reizbar und neigte zur Schwermut. Anfälle von Selbstmitleid wechselten mit paranoidem Größenwahn, aber auch mit Aggressivität und Wutausbrüchen. Er nahm Unmengen an Nahrung zu sich, was seine zunehmende Leibesfülle erklärt und was als Kompensationsmechanismus für seine Einsamkeit diente, denn in den mittleren Jahren seiner Herrschaft hatte er kaum noch Vertraute und Freunde. Vermutlich litt Heinrich an einer Depression. In dieser Zeit ließ er zwei seiner sechs Ehefrauen köpfen.

Heinrich VIII. als junger Mann


Offene Bein und Impotenz
An Heinrichs Beinen entwickelten sich nicht heilende Geschwüre, sog. Ulzerationen. Medizinhistoriker vermuteten dahinter eine Syphilis, für die jedoch keine Beweise vorlagen: keine seiner Ehefrauen oder Mätressen hatten syphilitischen Symptome und auch seine Kinder waren frei von ihnen. Und er selbst blieb bis zu seinem Tode klar bei Verstand, was bei einer unbehandelten Syphilis eher ungewöhnlich sein dürfte. Vermutlich handelte es sich bei den Beingeschwüren um venöse Ulzerationen bedingt durch Krampfadern bei zugleich bestehender Herzinsuffizienz, die zu Beinödemen führte. 1538 war es wohl zu einer Lungenembolie gekommen, denn ein Gesandter schrieb, es stehe schlecht um den König, der kaum sprechen könne und ganz schwarz im Gesicht sei.

Der einstige Frauenheld litt an einer erektilen Dysfunktion, war also impotent geworden. Bereits seine zweite Ehefrau, Anne Boleyn, beklagte, dass es seiner Majestät an „Spannkraft und Geschick“ fehlte. Spätestens seit seiner vierten Ehe mit der Deutschen Anna von Kleve ging nichts mehr. Geheiratet hatte er Anna aus rein politischen Gründen noch bevor er sie zu Gesicht bekam und deren „Schlaffheit des Fleisches“ er später beklagte. 

Das Ende
Ab 1545 konnte Heinrich sich kaum auf den Beinen halten und musste mit einem extra für ihn angefertigten Rollstuhl gefahren werden. Die letzten 10 Tage seines Lebens verbrachte Heinrich ausschließlich im Bett. Die Beinulzera wurden martialisch mit Brenneisen behandelt, er erhielt warme Umschläge, Kräuterpastillen und Zimtkonfekt. Sein Schlafgemach wurde mit Holzrauch, Moschus und anderen teuren Duftstoffen angereichert, vielleicht um den Geruch der Beinulzera zu überdecken. Am 28.01.1547 starb Heinrich mit 55 Jahren im Londoner Westminster-Palast, ob an seinen infizierten Beinulzera, seiner Herzinsuffizienz, einer Gefäßkomplikation oder einer Kombination von allem unklar ist.

Hier geht es zu einigen Videos über Heinrichs Medizingeschichte (engl.):