Sonntag, 3. Juli 2011

Wohlstandskrankheit Gicht

Die Gicht ist eine typische Wohlstandskrankheit. Meist beruht sie auf einer Störung des Purinstoffwechsels, der Ausbruch der Erkrankung wird jedoch durch die üppige Ernährung in unserer Überflussgesellschaft begünstigt. Seit Kriegsende stieg die Erkrankungshäufigkeit an Gicht um das 20fache. Betroffen sind überwiegend Männer, die zunehmend auch in jungen Jahren an der Gicht erkranken können.




Wie entsteht eine Gicht?

Bei der Gicht ist die Harnsäure-Konzentration im Blut über die Norm erhöht, was als Hyperurikämie bezeichnet wird und zur Ausfällung von Harnsäurekristallen führt. Eine Hyperurikämie muss keine Beschwerden bereiten und ist somit nicht zwangsläufig einer Gicht gleichzusetzen. Erst wenn Symptome auftreten, spricht man von Gicht.

Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels und entstammt dabei zwei Quellen:

  1. Purine werden im Körper hergestellt (sie sind wichtig für die Herstellung von Nukleinsäuren) und auch wieder abgebaut. Ein Großteil der Abbauprodukte findet im Körper Wiederverwendung, letztlich werden nur 10% der Abbauprodukte in Harnsäure überführt, was beim Erwachsenen ca. 300 mg Harnsäure pro Tag ausmacht.
  2. Purine werden aber auch mit der Nahrung zugeführt, so dass weitere 400 mg Harnsäure noch dazu kommen.
Mit der Harnsäure kann unser Körper nicht viel anfangen und scheidet sie zu 75% über die Nieren aus, wobei der Ausscheidungskapazität der Nieren allerdings Grenzen gesetzt sind. Die verbliebenen 25% verlassen unseren Körper über den Magen-Darm-Trakt. Harnsäure ist im Blut und in den Gewebsflüssigkeiten nur schwer löslich. Ab einer gewissen Harnsäure-Konzentration kommt es daher zur Ausfällung in Kristalle. Der Normwert der Harnsäure im Blut beträgt 5,4 - 6,4 mg/dl; bei höheren Werten steigt das Gichtrisiko, das sich anhand der Blutwerte hochrechnen lässt.


Harnsäure-Spiegel im Blut
(mg/dl)


Risiko eines akuten Gichtanfalls
(%)

< 6


0,6

6,0 bis 6,9

1,9


7,0 bis 7,9

16,7


8,0 bis 8,9


25

> 9

90


Zusammenhang zwischen Harnsäurespiegel im Blut und der Wahrscheinlichkeit eines akuten Gichtanfalls

Primäre und sekundäre Form der Gichterkrankung
In 90% der Fälle handelt sich um eine primäre Hyperurikämie, die familiär bedingt und auf Störungen des Purinstoffwechsels zurückzuführen ist, nämlich auf Transport- und Enzymdefekte. In der Kombination mit purinreicher Ernährung steigt bei den Betroffenen der Harnsäure-Spiegel an und kann letztlich zur Gicht führen. Ernährt sich der Betroffene purinarm, passiert entweder gar nichts oder aber die Gicht macht sich erst im höheren Lebensalter bemerkbar, wenn die Nierenfunktion altersbedingt nachlässt und es zu einem Stau bei der Harnsäure-Ausscheidung kommt. Das ist auch in 99%  der Fälle die Ursache der Gichterkrankung, nämlich ein Transportproblem bei der Harnsäure-Ausscheidung. Angeborene Enzymdefekte, die eine vermehrte Harnsäure-Produktion verursachen, sind eine Rarität.

In 10% der Fälle tritt die Gicht als Folge anderer Erkrankungen auf, man bezeichnet sie dann als sekundäre Hyperurikämie. Dazu gehören bestimmte Leukämien, chronische Niereninsuffizienz, Alkohol-Missbrauch und eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen. Auch bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung zu einer Hyperurikämie führen wie auch eine Chemotherapie und Fasten.

Wie macht sich eine Gicht bemerkbar?

Man unterscheidet vier Stadien der Gicht:
  1. asymptomatische Hyperurikämie
  2. akuter Gichtanfall
  3. symptomlose Intervalle zwischen den Gichtanfällen
  4. chronische Gicht
Typisch für die asymptomatische Gicht ist die chronische Erhöhung der Harnsäurewerte im Blut, wodurch es zum Ausfällen der Harnsäure in sog. Uratkristalle kommt, die meist im Bereich des Fußes zur Ausbildung kleiner Gichtknoten führt. Akute Gichtanfälle können bei Harnsäure-Spitzen im Blut auftreten, was meistens nachts der Fall ist. Sie beschränken sich in der Regel auf ein Gelenk, in den meisten Fällen spielt sich der Gichtanfall im Großzehengrundgelenk ab (nennt man Podagra). Ein akuter Gichtanfall ist ausgesprochen schmerzhaft, geht mit Fieber, Rötung und Schwellung des Gelenks einher. Unbehandelt klingt ein akuter Anfall innerhalb mehrerer Tage spontan wieder ab. Danach kann es Monate, manchmal sogar Jahre dauern, bis ein erneuter Gichtanfall auftritt. Während dieser symptomlosen Phase richten die abgelagerten Uratkristalle unbemerkt fortschreitende Schäden an den Gelenken an, so dass die Anfallshäufigkeit letztlich zunimmt und die beschwerdefreien Intervalle immer kürzer werden. Der Übergang in das chronische Stadium der Gicht ist fließend und der Patient wird nicht mehr beschwerdefrei. Das betroffene Gelenk wird zerstört und kann sich arthrosebedingt deformieren. Die langjährige Gichterkrankung, insbesondere die unbehandelte, führt zur Ausbildung von Nierensteinen, häufigen Harnwegsinfekten, zur insuffizienten Gichtniere und Bluthochdruck.

Podagra: Gichtanfälle spielen sich meist am Großzehengrundgelenk ab

Behandlung der Gicht-Erkrankung 

Patienten mit einer asymptomatischer Hyperurikämie werden mit einer Diät behandelt, sofern die Harnsäure-Werte unter 9 mg/dl liegen. Liegen sie darüber oder besteht bereits eine chronische Gicht, wird medikamentös eingeschritten. Zur Verfügung stehen Medikamente, die die Harnsäure-Bildung verringern (Urikostatika) oder aber die Harnsäure-Ausscheidung über die Nieren steigern (Urikosurika). Da am häufigsten verordnete Medikament ist das Allopurinol, das zur erstgenannten Substanzgruppe gehört.

Therapie-Maßnahmen beim akuten Gichtanfall
Im akuten Gichtanfall steht die Schmerzbekämpfung mit einem nicht-steroidalen Antiphlogistikum wie Diclofenac oder Ibuprofen im Vordergrund. Zur Schmerzbekämpfung und Abschwellung sollte das befallene Gelenk, meist das Großzehengrundgelenk, gekühlt werden. Sehr gezielt auf die durch die Uratkristalle ausgelöste Entzündungsreaktion wirkt Colchicin, das in Tablettenform zur Verfügung steht. Die Mehrzahl der Patienten reagiert darauf allerdings mit Magen-Darm-Beschwerden, besonders mit Durchfällen, so dass es nach Abklingen der akuten Beschwerden schnell wieder abgesetzt werden sollte.

Ernährungsempfehlungen zur Vorbeugung und Behandlung der Gicht

Zur Vorbeugung und Behandlung der Gicht kann eine Änderung der Ernährungsweise viel beitragen, es kann sogar zur Normalisierung der Harnsäure-Werte kommen, so dass eine medikamentöse Dauerbehandlung hinfällig wird. Da die Harnsäure das Endprodukt des Purinstoffwechsels ist und Purine in vielen Nahrungsmitteln enthalten sind, ist eine purinarme Ernährung empfehlenswert.




Nicht empfehlenswert:
  • Fleisch, Wurst, Innereien, bestimmte Fischarten (Ölsardinen, Sprotten)
  • Hülsenfrüchte, Spinat, Kohl, Rosenkohl; der Puringehalt lässt sich durch Kochen allerdings um bis zu 25% reduzieren
  • Alkohol; insbesondere Bier ist durch die Hefe sehr purinreich; hemmt zudem die Harnsäure-Ausscheidung über die Nieren
  • Säfte: sind meist mit Fruchtzucker gesüßt, der den Harnsäure-Spiegel nach oben treibt; bereits 1 fruktosegesüßter Softdrink pro Tag verdoppelt das Gichtrisiko!
  • Zuckerersatzstoffe wie Sorbit und Xylit, in vielen Süßigkeiten enthalten
Empfehlenswert:
  • Räucheraal, Scholle, Rinderbrust
  • Obst und Gemüse (Ausnahmen s.o.)
  • Milch, Milchprodukte, Eier
  • Mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit am Tag trinken: hilft den Nieren, die Harnsäure auszuscheiden
  • Fettarme Ernährung: ein hoher Fettanteil hemmt die Harnsäure-Ausscheidung über die Nieren
  • täglich 250mg Vitamin C steigert die Harnsäure-Ausscheidung über die Nieren um bis zu 17%
  • Gewichtsreduktion: kann den Harnsäure-Spiegel dauerhaft senken; Nulldiäten können durch den Hungerstoffwechsel den Harnsäure-Spiegel in die Höhe treiben und zu Gichtanfällen führen! 


Tags: arthritis, arthrose, rheuma, osteoporose, purin, gicht, podagra, harnsäure