Eine
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei Kindern wächst sich
nicht aus, wie man noch bis Ende der 1990er Jahre glaubte. Sie betrifft nicht
ausschließlich das Kindes- und Jugendalter, sondern viele Betroffene leiden
auch als Erwachsene an dieser Störung, die dann häufig mit psychischen und
körperlichen Erkrankungen kombiniert ist. Die Häufigkeit des ADHS im
Erwachsenenalter beträgt in Deutschland 3,1%.
ADHS-Symptome im Erwachsenenalter
Beim ADHS werden verschiedene
Subtypen unterschieden: ein unaufmerksamer, ein hyperaktiv-impulsiver und ein
kombinierter Subtyp, der im Erwachsenenalter am häufigsten ist. ADHS-Betroffene
haben in jedem Alter ein erhöhtes Risiko für bestimmte Erkrankungen. So
entwickeln 60 - 80 % der betroffenen Erwachsenen im Laufe ihres Lebens eine
oder auch mehrere psychische Störungen wie Suchterkrankungen, Angst- und
Essstörungen, Teilleistungsstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen
und Tics.
Die Suchterkrankungen betreffen
sowohl illegale Substanzen (besonders Meth, Kokain, Halluzinogene und Opiate)
als auch legale Substanzen wie Alkohol, Nikotin und Koffein. Nicht selten
findet man bei erwachsenen ADHS-Patienten auch Autismus und das sog.
Asperger-Syndrom, einer Autismus-Variante, die sich durch Störungen der
sozialen Interaktion auszeichnet.
Antisoziale und
Borderline-Persönlichkeitsstörungen
Über 20 % der erwachsenen
ADHS-Patienten weisen zusätzlich eine Störung des Sozialverhaltens auf und
geraten nicht selten mit dem Gesetz in Konflikt, was erklärt, warum rund 30%
aller männlichen Gefängnisinsassen eine ADHS aufweisen. Ungünstig wirken sich
ein geringer sozioökonomischer Status, intensive Familienkonflikte, ein
niedriger IQ und die Zurückweisung durch Gleichaltrige aus. Eine ADHS im
Kindesalter erhöht zudem das Risiko, im Erwachsenenalter eine
Borderline-Symptomatik zu entwickeln, die zu erheblichen Problemen in
zwischenmenschlichen Beziehungen führt, Anspannungszuständen mit nachfolgenden
Selbstverletzungen und chronischer Suizidalität.
Psychosoziale Konsequenzen
Bei ADHS findet sich eine
überproportionale hohe Rate an frühen, ungeplanten Schwangerschaften,
Scheidungen, Fehlzeiten am Arbeitsplatz und Arbeitslosigkeit. Häufiger als
Gleichaltrige brechen viele ADHS-Betroffene ihre Schul- und Berufsausbildung
ab.
ADHS-Therapie im Erwachsenenalter
Eine ADHS-Erkrankung im
Erwachsenenalter wird oft nicht erkannt, da die psychischen Begleiterkrankungen
im Vordergrund stehen. In derartigen Fällen steht auch die Behandlung der
Begleiterkrankungen im Vordergrund, damit das Ausmaß der dahintersteckenden
ADHS und die nötige Hilfe zur Bewältigung der Erkrankung beurteilt werden
können. Eine ADHS-Erkrankung im Erwachsenenalter stellt per se keine
Behandlungsindikation dar, diese ergibt sich erst, wenn durch die ADHS starke
Beeinträchtigungen in einem Lebensbereich oder leichte Beeinträchtigungen in
mindestens zwei Lebensbereichen bestehen.
Schwierige medikamentöse
Behandlung
Die medikamentöse Behandlung der
Erwachsenen-ADHS ist schwierig. Streng genommen existieren keine Arzneimittel,
die zur Behandlung im Erwachsenenalter zugelassen sind. Nach den
deutschsprachigen Leitlinien stellt die Behandlung mit Stimulanzien
(Methylphenidat) dennoch die Therapie der Wahl dar, ein in Anbetracht der
häufigen Suchterkrankungen nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Je nach
Schwere und Ausprägung der ADHS werden langwierige psychotherapeutische
Maßnahmen durchgeführt.